Grüne Europa: Kernschmelze des Rechtsstaats

Europa, Grünen Bund

Liebe Leser*innen,

aus aktuellem Anlass für Sie ein Artikel von unserer Bundespartei zum Abhörskandal.

Snowdens mutiges Interview sorgte für internationale Aufregung: die USA verlangen die Auslieferung eines mutmaßlichen „Verräters“, während ihn die grüne Fraktion im Europaparlament für den Sacharow-Menschrechtspreis empfehlen wird. Das Schicksal Snowdens ist offen – Jürgen Trittin hat sich bereits für seine Aufnahme in Deutschland stark gemacht. Die politischen Konsequenzen für die USA werden ebenfalls noch diskutiert. Nur die Merkel-Koalition gibt sich zögerlich und abwartend, anstatt sich schützend vor die betroffenen BürgerInnen und Unternehmen zu stellen.

Kein effektiver Schutz für BürgerInnen und Unternehmen

Neben dem Irak, Saudi Arabien, China und den USA selbst steht Deutschland im Fokus der NSA (National Security Agency), dem Militärnachrichtendienst der Vereinigten Staaten. Angesichts der Überprüfung von ca. 500 Millionen deutschen Kommunikationsverbindungen wäre zu erwarten, dass die Kanzlerin offensiv ein Ende der Überwachung fordert. Stattdessen blieb sie lange ebenso schweigsam wie ihr Minister, um dann ihren Regierungssprecher vor die Presse zu schicken.

Eine lauwarme schriftliche Erklärung statt offener, direkter Worte – das reicht nicht, findet Cem Özdemir: „Es ist die Aufgabe der Merkel-Koalition, sich für die Grundrechte der deutschen und europäischen BürgerInnen einzusetzen. Wir erwarten Antworten von den USA und Großbritannien.“ Das lange Schweigen des Ministers wertet er als eine Stellungnahme. So legt der Stand-By-Modus der Merkel-Koalition den Verdacht nah, dass die deutschen Geheimdienste von den Späh-Aktionen der NSA profitieren und deshalb eine konsequente Aufdeckung erschweren. Wie weit geht die Freundschaft zwischen BND (Bundesnachrichtendienst) und NSA wirklich?

Internationale Abkommen mit den USA müssen auf den Prüfstand

Besondere Brisanz erhalten die aktuellen Entdeckungen vor dem Hintergrund der Verhandlungen für ein transatlantisches Freihandelsabkommen. Gerade jetzt, wo Europa und die USA enger zusammenrücken wollen, wird das wechselseitige Vertrauen gestört. Die Empörung über die NSA dürfe aber nicht einfach geschluckt werden, meint Cem Özdemir: „Es kann kein ‚business as usual‘ geben angesichts der Dramatik der Ereignisse.“ Die Kanzlerin und ihr Innenminister müssen den USA klar machen, dass dies kein normales Vorgehen zwischen befreundeten Ländern sei. Als unmittelbare Maßnahme schlägt er vor, das Fluggast- und Bankdaten-Abkommen mit den USA sofort auszusetzen und neu zu verhandeln. Der Umgang mit vertraulichen Daten sollte geklärt werden und ein entsprechendes Kapitel Teil der Verhandlungen zum transatlantischen Freihandelsabkommen werden. „Wir müssen ja davon ausgehen, dass die amerikanische Seite unsere Papiere und Vorbereitungen im Detail kennt. So kann man nicht vernünftig miteinander verhandeln“, erklärte Özdemir weiter.

Das politische Ziel müsse zudem eine abgestimmte Antwort der Europäischen Union sein – deren diplomatische Vertretungen wohlgemerkt auch in den Fokus der NSA geraten sind. Die grüne Bundestagsfraktion hat ebenfalls reagiert und einen Entschließungsantrag in den Bundestag eingebracht. Darin drängt sie darauf, rechtliche Schritte gegen die USA und Großbritannien vor dem internationalen bzw. europäischen Gerichtshof zu prüfen.

Die unsichtbaren Aktivitäten der NSA verurteilen nicht zur Ohnmacht. Edward Snowden hat es vorgemacht. Er hat den BürgerInnen Europas einen großen Dienst erwiesen und sich eine Gegenleistung ihrer Regierungen verdient. Die USA verletzten systematisch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, dieses Unrecht sollte nicht noch durch ein illegitime Verurteilung vergrößert werden.

 

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